Landwirt sein!
Das 20. Jahrhundert hat in einem schleichenden Übergang die Landwirtschaft zu Teilen industrialisiert. Heute ist der Trend zum ökologischen Landbau seit Jahren ungebrochen.
In Zeiten industrieller Landbewirtschaftung bewundert man die Effektivität und die große Menge der bereitgestellten Produkte.
In Zeiten ökologischer Landbewirtschaftung bewundert man die umweltfreundlichen und gesunden Produkte.
Konventionell oder Bio?
Ist das die entscheidende Frage? Es ist eine grundlegende Frage der betrieblichen Ausrichtung. Es sollte jedoch keine Gewissensfrage sein.
Bio-Produkte sind nach bestimmten Vorschriften erzeugte Produkte. „Bio“ ist Definitionssache. „Bio“ ist ein sehr guter Markt.
Konventionelle landwirtschaftliche Produkte sind ebenfalls nach bestimmten Vorschriften erzeugte Produkte. Auch konventionellen Produkten bieten sich nach wie vor gute Marktchancen.
Im Grunde realisiert man schnell, dass sich die Unterschiede biologischer und konventioneller Landwirtschaft in manchen Punkten in einer definitorischen Grauzone befinden.
Alles eine Frage des Zertifikates, der Einstufung.
Landwirtschaft muss mehr sein als zertifizierte Produktion.
Eine zukunftsfähige und nachhaltige Landwirtschaft muss sich an Bedürfnissen des Bodens, der Tiere und des menschlichen Organismus orientieren. Sie darf aber keinesfalls die Bedürfnisse des Marktes außer Acht lassen. Landwirte müssen sich Märkte suchen. Der Name des Marktes kann „Bio“ sein. Oder „Regional“.
Der Trend zu regionalen Produkten ist im Moment sehr ausgeprägt, und er scheint dauerhaft. Die ländliche Bevölkerung merkt, dass die Lebensqualität auf dem Land stark mit einer funktionierenden Landwirtschaft gekoppelt ist. Regional und Bio – ein Premium-Produkt.
Regional – auch gut. Sehr gut. Landwirte, die wir in Hof und Leben betreuen, sind nicht ausschließlich an kurzfristig hohen Gewinnen interessiert. Sie wollen den Hof als Existenzgrundlage für die nachfolgenden Generationen erhalten. Es geht um die Erhaltung eines finanziell gesunden Betriebes mit gesunden Bewirtschaftungsgrundlagen. Nicht Raubbau, sondern Nachbau ist das Thema. Dieses Leitbild schließt auch den Erhalt und Ausbau regionaler Wertschöpfungsketten mit ein.
Landwirte sollen heute Unternehmer sein. Sie müssen es sein, um in einer von Kapital und Zeitmangel geprägten Gesellschaft als Marktteilnehmer wahrgenommen zu werden. Wettbewerbsfähigkeit darf aber nicht das nachhaltige Wirtschaften und Denken in den Hintergrund drängen.
Folgende Fragen drängen in den Fordergrund:
Produziere ich für die Region, oder für den Weltmarkt?
Kultiviere ich den Boden, oder verwerte ich ihn?
Für wen leiste ich meine Arbeit?
Kann ich es mir leisten, Ressourcen als Reserve zu halten? Natürlich gilt es, die wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu beachten. Die Ausrichtung des Betriebes auf veränderte Ansprüche der Gesellschaft erfordert Arbeitskraft, Zeit und Kapital.
Aber die Begriffslandschaft, die in den Bereich der Landwirtschaft hineingedrängt wird, verunsichert manchen Landwirt. Die Suche nach dem eigentlichen Sinn und der Erfüllung aus der täglichen Arbeit in der Landwirtschaft ist unter solchen Voraussetzungen schwer:
- Manager sein
- Cash Flow maximieren
- Cross Compliance-Vorschriften einhalten
Genauer betrachtet haben gut ausgebildete Landwirte noch nie etwas grundsätzlich anderes gemacht:
- unternehmen
- Gewinne erwirtschaften
- Die Grundlagen des Betriebes sichern
Es existieren widersprüchliche gesellschaftliche Erwartungen an Landwirte. Einerseits gilt der Landwirt als Subventionsempfänger, andererseits als Landschaftspfleger und Versorger, als Kulturlandschaftserhalter.
Die Landwirtschaft muss zu einem Selbstverständnis zurückfinden. Wichtig wird es sein, einen gesellschaftlichen Mehrwert landwirtschaftlicher Güterherstellung darzustellen, und zu leben.
Es geht darum, Landwirt zu sein. Ein guter Landwirt. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.